Am 9. November 2024 fand auch in diesem Jahr eine Gedenkfeier für die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger statt, die in der Zeit des Nationalsozialismus aus Gudensberg verschleppt oder vertrieben wurden.
Sechs Schüler der Klasse 10a, Jan-Henrik Meier, Ben-Marvin Kienhorst, Hans Rudolph, Luis Alonso Merino, Max Naumann und Niko Wilke, haben den Abend mitgestaltet und so einen Einblick gewinnen können, welche Geschichten und Ereignisse hinter den Namen stehen, die sie am Ende der Veranstaltung zum Gedenken verlesen haben.
Bürgermeisterin Sina Massow stellte in ihrer Begrüßung schon den Bezug zur Gegenwart und aktuellen antisemitischen Tendenzen in Deutschland her und betonte die Wichtigkeit des Gedenkens und der Übernahme der Verantwortung. Sie zeigte sich erfreut über die rege Teilnahme an der Veranstaltung und das Engagement der Beteiligten, die die Gedenkfeier vorbereitet und gestaltet haben. Haltung zeigen, die Erinnerung wachhalten und ein Zeichen setzen gegen jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung seien heute wichtiger denn je.
Eine eindrucksvolle szenische Lesung von Dr. Dieter Vaupel und Alida Scheibli erinnerte an die Familie Adler aus Obervorschütz. Der Einblick in die Lebenswelt einer jüdischen Familie in den 1930er Jahren, die der immer weitergehenden Ausgrenzung und Bedrängung ausgesetzt waren, verdeutlichte den Anwesenden, dass diese Geschehnisse nicht weit weg passierten, sondern an Orten, an denen wir heute täglich vorbeikommen, in Gebäuden, die auch heute noch zu unserer Heimatstadt gehören. Die Lesung erzählte auch davon, wie sich Freunde und Nachbarn immer mehr von der Familie distanzierten und sich schließlich gegen sie wendeten. Hier konnte jeder in Gedanken der Frage nachgehen: Was hätte ich getan? Hätte ich der Familie beigestanden oder hätte der Druck der damaligen Bedingungen auch mich zum Gegner der Familie gemacht?
Dr. Werner Seibel gab mit seinen wunderbar passenden Musikstücken zwischen den Beiträgen die Möglichkeit, das Gehörte und Gesehene wirken zu lassen und den eigenen Gedanken nachzugehen.
Über aktuelle Entwicklungen im Projekt der Stolpersteine berichtete Hans-Peter Klein. Hier sind weitere Stolpersteine geplant, die das jüdische Leben in Gudensberg auch im heutigen Alltag wieder sichtbar machen sollen.
Den Abschluss der Veranstaltung gestalteten die Schüler der 10a der Dr.-Georg-August-Zinn-Schule, die von Geschichtslehrer Florian Nossia und Martina Brunkow-Winterstein vorbereitet und begleitet wurden. Einleitend zitierten sie die Worte der Theologin Christina Brudereck, die Gedenken nicht nur als Ritual an Gedenktagen verstanden wissen will, sondern auch als Erinnerung an das, wozu Menschen fähig sind, und als Ermahnung zur Aufmerksamkeit, so dass so etwas nie wieder passieren kann.
Der zweite, sehr emotionale Text, den die Schüler mit großer Ernsthaftigkeit vortrugen, stammte von Inge Auerbacher, einer Holocaustüberlebenden, die ihre Erinnerungen an die Progromnacht 1938 in ihrem Buch „Ich bin ein Stern“ schildert. Sie war noch ein Kind und konnte dennoch detailliert die grausamen Ereignisse beschreiben, die Angriffe auf ihr Zuhause, die Zerstörung der Synagoge in der Nachbarschaft und die Verhaftung ihres Vaters und Großvaters. Ihre Worte haben aufgewühlt und erschüttert und die lebenslange Wirkung dieser traumatisierenden Erlebnisse verdeutlicht. Inge Auerbacher wurde mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert und hat als eines der wenigen Kinder aus Baden-Württemberg überlebt. Sie wanderte in die USA aus uns setzt sich bis heute als Zeitzeugin für die Erinnerung an diese Zeit ein.
Das Gedicht „Ich bin ein Stern“ von Inge Auerbacher, wurde von den Schülern mit ruhiger Stimme und großer Wirkung vorgetragen. Auerbachers Worte zeigen eindrucksvoll, wie sie sich schon als Kind gegen die verordneten Regeln stellte. Den Stern, den sie gezwungenermaßen tragen musste, münzte sie um in ein Symbol der Stärke und ein Zeichen ihres Glaubens.
Beim anschließenden Verlesen der 69 Namen und dem Entzünden der Kerzen entstand eine emotionale Stimmung und ein dichtes Gefühl der Gemeinschaft im stillen Gedenken an diese Menschen, die ihre Heimat und größtenteils ihr Leben verloren haben. Hier wirkte „Say their names“, erinnere dich an die Menschen, denen dieses Unrecht widerfahren ist, und stelle dich mit aller Kraft gegen aktuelle antisemitische Tendenzen.